Text für den Verkündigungsteil der TomasMesse am 29.10.'95

Im St. Petri Dom zu Bremen

'Thomas auf der Suche nach den Spuren Gottes'


Th:       Kann Thomas, der Zweifler, Gottes Spuren in seinem Leben entdecken?

G:        Meinst Du, der Thomas in uns allen der ewige Zweifler, der Immer alles gleich in Frage stellt?

Th:       Ja den meine ich. Kann ich Gottes Liebe auch erfahren, wenn ich zweifle, kann ich sie dann überhaupt wahrnehmen?

Z:        Was meinst Du denn mit „Gottes Liebe"?

G:        Ich glaube. jeder findet da seine eigene Antwort Für mich heißt ,,Gottes Liebe" dass ich ,mich angenommen fühle, so wie ich bin, dass ich mich getröstet oder ermutigt fühle. Ich denke dabei an besondere Erfahrungen,.die ich mit anderen Menschen erlebt habe, oder an Erlebnisse in der Natur, in der Stille oder im Gebet

Z:        Bist Du denn sicher, daß das tatsächlich Gottes_Liebe war, was Du da gespürt hast?

Th:       (mischt sich ein) Die Bibel handelt von Gott und auch von der Liebe. Da bezeugen Menschen ihren Glauben. Sie sagen, was sie erlebt haben mit Gott. Mir fällt da zum Beispiel der 23 Psalm ein, derimmer wieder Menschen Trost und Hoffnung wbgibt.i Ich lese ihn Euch einmal vor:

Ein Psalm Davids:

Der HERR Ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens Willen.

G:        Ich finde den Psalm unheimlich schön. Daraus spricht ein so tiefes, ein unendliches Vertrauen in Gottes Liebe. Der Mensch, der das geschrieben hat, muss tatsächlich Gottes Spuren in seinem Leben festgestellt haben.

Z:        Ich weiß nicht .... Leute. denen es gut geht, die im Wohlstand leben, jung und gesund sind können vielleicht einen solchen festen Glauben haben. Wenn aber echte Probleme da sind- Krankheit, Arbeitslosigkeit kaputte Familienbeziehungen, da wird das doch alles nur Gerede

Th:       oft haben aber gerade Menschen, die nicht unter idealen Bedingungen leben, einen großen Glauben.

Hört zu, wie der Psalm weitergeht:

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn Du bist bei mir, dein Stab und Stecken trösten mich.

Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde....

Z:        (unterbricht) Ich hab’ mich schon oft gefühlt, wie in einem dunklen Tal, aber da war kein Gott, der mich getröstet hat. In der Bibel ist immer nur von Glauben die Rede. aber wenn man Skepsis und Zweifel äußert, wird man mit schönen Sprüchen abgefertigt.

Th:       Das stimmt nicht. Zum Kreis der Jünger Jesu etwa gehört auch ein Skeptiker und Zweifler dazu, der ungläubige Thomas. Er ist skeptisch und zweifelt als die anderen Jünger ihm erzählen daß Jesus von den Toten auferstanden ist. Er läßt sich nicht vorschnell mit Worten abspeisen. Er will die volle Wahrheit wissen, Und gerade darin nimmt er Jesus ernst, Ihn, der gesagt hat: ,,Ich bin der Weg die Wahrheit und das Leben." (Joh 14.6)

Z:        Ja und?

Th:       Jesus nimmt den ungläubigen Thomas, den Zweifler und Skeptiker ernst und seinen Zweifel an. Er kommt noch einmal zu seinen, Jüngern. jetzt wo auch Thomas dort ist. Und er sagt nicht: ,Hebe Dich hinfort, Du Satan". Nein, Er sagt: ,,überzeug Dich, fühl meine Wunden - um wieviel einfacher hättest Du es, könntest Du einfach nur glauben.

G:        Ich stelle mir vor, daß Jesus vielleicht so fortfährt: ,,In diesem Augenblick fühlst Du meine Wunden, Dein Zweifel ruht einen Moment. Bald werde ich fortsein, und Dein Zweifel wird von neuem erwachen. Dann wirst Du, Thomas, vielleicht denken: Ist es wahr, ist mir tatsächlich Er. der Gekreuzigte erschienen? oder war das alles nur ein Traum, eine Halluzination?" Ich stelle mir vor, daß Thomas weiterzweifelt, viefleicht bis an sein Lebensende. Doch trotz all seiner Zweifel bleibt er diesem Jesus von Nazareth treu. Er läßt sich auf Jesus ein, und bleibt dennoch auf der Suche. Das ist eine manchmal verzweifelte, stets brennende Suche nach Gott, die auch Zeiten innerer Leere und tiefsten und quälenden Zweifels kennt. Diese Suche flführt ihn hinein in die tiefe Nacht des Unglaubens und der Verzweiflung. Aber diese Suche führt doch durch die Nacht zum Licht Denn Jesus kommt zu ihm und zeigt ihm, daß er bei ihnm ist auch in seinen Zweifeln. Nicht nur Thomas hält an Jesus Christus, als seinem Herrn und Heiland fest sondern auch Christus bleibt immer bei ihm.

2:         Das ist ja schön und gut aber  jetzt seid ihr schon wieder nur mit einer Geschichte aus der Bibel gekommen. Was geht mich dieser Thomas an? Mir ist kein Heiland erschienen und hat mir irgendwelche Wunden gezeigt!

Th:       Mir natürlich auch nicht. Aber die Geschichte von Thomas zeigt mir eine große Hoffnung Das ist die Hoffnung, daß der Moment kommt in dem mir die Wahrheit offenbart wird. Daß das gänzlich Unerwartete geschehen kann, daß Jesus kommt und sagt: ,,Ja, schau her, es ist tatsächlich so, wie Dir gesagt wurde, komm und überzeug Dich."

G:        Ich bewundere Thomas für seine Treue. Er hat die Sache Jesu zu seiner eigenen gemacht und das, obwohl er allen großen Verheißungen mißtraut. Er sagt ,Rabbi, ich folge Dir" weil er: spürt:

Diese Sache ist es wert, sogar auf die Gefahr hin, daß sich am Ende alles als leerer Wahn herausstellt Und sie ist es wert, trotz der vielen Zweifel die sich bis zur Verzweiflung steigern können.

Auch uns erspart Gott die Lebenssituationen nicht; in denen wir verzweifelt nach ihm rufen: Gott, ich verstehe Dich nicht, Du bist mir ein großes Rätsel. Gib mir endlich ein Zeichen, daß ich nicht immer nur glauben muß, sondern das ich endlich Gewißheit bekomme."

Th:       Aber gerade in jenen Momenten ist uns Christus an nächsten. Christus, der nicht für die Frommen und Selbstzufriedenen da sein wollte, sondern für die Mühseligen und Beladenen. Der Christus. der am Ende seines kurzen Lebens selber der beladenste von allen war; der selber Momente tiefer Verzweiflung durchlitten hat und der in den langen Stunden seines langsamen Sterbens gerufen hat: ,,Mein Gott,mein Gott, warum hast Du mich verlassen.

Z.       Und woher willst Du das wissen, daß uns Christus in tiefen Krisen und auch in Glaubenskrisen am nächsten ist?

G:        Weil ich in diesen Momenten seine Nähe schon gespürt habe, und das hat mir enorm geholfen.

Z:        Und woher weißt Du, daß Du Dir das nicht einfach eingebildet hast, daß Christus Dir da nahe war?

G:        lch weiß es nicht, ich glaube es.

Z:        Und Du hast keinen Zweifel?

G:        Doch, und das nicht selten

Annekatrin Haar, Udo Kelle, Jan Müntinga