Text für den Verkündigungsteil der ThomasMesse am 28.03.2004

Im St. Petri Dom zu Bremen

'Para-dies-seits

M:

Paradies – bei dem Wort Paradies sind uns ganz vielfältige Gedanken und Assoziationen in den Sinn gekommen. Einige davon möchte ich Ihnen ein wenig näher bringen.

Paradies – ich lese aus Gen., Kap.2, Verse 8+9: und Gott der Herr pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. Und Gott der Herr ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen.

- ein Bild des Paradieses und die Vorstellung, dass das tiefe Wissen um diesen Ort eine Sehnsucht nach ihm in uns wachhält. Vielleicht gelangen wir nach diesem irdischen Leben an einen Ort, der dem des ersten Paradieses ähnlich ist...?

Paradies – vielleicht ist das Paradies aber auch mehr ein Zustand als ein Ort? Mit dem Wort verbindet sich die Hoffnung auf ein Leben ohne Schmerz und Leid, möglicherweise ein Idealzustand irdischen Zusammenlebens.

Wobei sich dann die Frage stellt, ob wir überhaupt in der Lage sind, ein Leben auszuhalten, das nur gut tut? Ob wir uns nicht langweilen, wenn das Leben völlig ohne Spannungen verläuft...

Paradies – ein neuer Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, ... und Gott wird abwischen alle Tränen  von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. (Off. 21, 1+4)

Vielleicht ist das Paradies dieser neue Himmel und diese neue Erde, auf der Gerechtigkeit herrscht, in der wir Menschen als Menschen leben und wo es doch so anders ist als in dieser Welt, dass wir es uns nicht richtig vorstellen können.

Die Hoffnung jedoch, dass ein Leben möglich ist, in dem Gerechtigkeit und Miteinander das Zusammenleben prägen, lässt uns danach suchen und streben, in dieser Welt etwas davon zu verwirklichen.

Das ist manchmal paradox und manchesmal scheint es naiv idealistisch, aber mit Paradiesvorstellung verbindet sich für mich, auch in aussichtslosen Situationen, in denen sich diese, unsere Welt oft befindet, daran zu glauben, dass eine Veränderung möglich ist, weil ich eine Ahnung davon habe, dass es anders sein könnte, sein müsste.

Und auch der Wunsch nach einem anderen Miteinander, einem Zusammenleben in einer gerechteren Welt, weil ich darauf hoffe, dass eine Zeit kommen wird, in der das möglich sein wird.

Oder die Hoffnung, dass es gelingen kann, die Welt als einen Garten, ein befriedetes Gebiet, zu gestalten, weil wir zwar bestimmt nicht alles von dieser Vision erreichen können, aber Stück für Stück dem Himmel näher kommen könnten.

U:

Ja, ich glaube auch an das von Gott versprochene Paradies. Die Hoffnung auf das friedliche Zusammenleben dort, jenseits, ist auch in mir.

Und dann suche ich, was ich tun kann. Ich denke an die Hippie Kommunen, ich denke an Südseeinsulaner, Menschen, die auf den ersten Blick in vollkommener Harmonie leben – wie im Paradies ?.

Nein, sie leben in dieser Welt. Und ich bin ganz sicher: ein Paradies diesseits gibt es nicht. Hier gibt es Naturkatastrophen, und es gibt schwerste Krankheiten, Seuchen. Und wenn das nicht reicht: andere Menschen würden neidvoll oder gierig in das Paradies einbrechen.

Auch in mir sind Neid und Gier. Vielleicht ist es gerade die Sehnsucht nach dem Paradies, aus der ich häufig nach Mehr und Mehr verlange, und gar nicht die fatalen Folgen bemerke ? Und wenn ich so empfinde, bin ich froh, wenn mir ein Wort von Christus wieder in den Sinn kommt. Mathäus hat es so zitiert:

‚seid nun nicht besorgt um den morgigen Tag! Denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen’

Ein Gedanke an das Paradies – und dann lese ich den nächsten Satz in Mt 6,34:

‚Jeder Tag hat an seinem Übel genug’.

Willkommen im Alltag.

Ich kann die Augen auch nicht vor noch Schlimmerem verschließen: Menschen in dem Glauben an das Paradies, zu ungemeinen Taten fähig: Märtyrer, nicht nur sich selber zugrunde richtend. Nein, sie leiten aus dem Glauben an die göttlichen Verheißungen das Recht ab, andere Menschen verstümmeln und töten zu müssen.

So dachten Menschen lange vor unserer Zeit, in Inquisition oder Kreuzzügen und so bedrohen sie uns auch heute.

Das soll ein Weg ins Paradies sein? Dann möchte ich dort nicht hin! Da möchte ich die Augen zu machen. wegschauen, weghören. Die Verlockungen der Werbung zerren an meiner Hoffnung auf das utopische Paradies: Ich soll mir doch keine Sorgen machen. Also lebe ich doch lieber paradiesisch im Diesseits, getröstet vom Konsum in einer kleinen, eingebildeten, heilen Welt ?

Nein, der Traum vom göttlichen Paradies ist stärker. Kein Militärstratege und kein Werbestratege kann uns den Weg dorthin zeigen. Gott hat ihn in uns gelegt, den Appetit nach dieser neuen, friedlichen Welt, die bestimmt keine Werbeblöcke braucht, um darin glücklich zu sein. Und er hat uns auch die Möglichkeit gegeben, diese Hoffnung auszuhalten, wo um uns herum alles so wenig paradiesisch ist. Wir müssen nicht das Leid um uns herum alleine aushalten, sollen nicht daran zerbrechen. Gnädig ebnet er uns einen Weg zwischen verantwortungslosem Warten auf das Paradies und zerstörerischem Kampf dafür.

Die Verheißung vom Paradies ist eben keine Vertröstung. Die Verheißung vom Paradies ist ein Trost, der mich aufrichtet, wenn ich nicht mehr weiter weiß. So stark: jede schlechte Erfahrung macht den Wunsch etwas für das Paradies zu tun stärker. Ich spüre die Aufforderung, verantwortungsvoll gegenüber mir selbst und meinen Mitmenschen, gegenüber Gottes Schöpfung zu handeln. Das ist so, als ob ich an einem winzigen Puzzlestein dieses riesigen, utopischen Bildes vom Paradies arbeite. Aber ich bin ja nicht alleine, oder ?

Und deshalb bete ich: ‚Vater unser im Himmel ... Dein Reich komme..’