Lesung: 1. Korinther, 12
Manchmal stehe ich morgens vor dem Spiegel und schaue gründlicher hin, als sonst, wenn es nur um Kämmen und Rasieren geht. Gefühle mischen sich in die Routinetätigkeit:
· Gefällt mir, was ich da sehe?
· Glaube ich, was ich da sehe?
· Hängt das nicht auch von der Stimmung ab?
· Wie stark verdunkelt ein mühsamer, grauer Novembertag das Spiegelbild, oder
· wie wunderbar verzaubert ein duftender, heller Frühlingstag dasselbe?
Vor ungefähr einem Jahr sah ich so zum ersten Mal diese Furche im Spiegelbild.
Vom Auge abwärts zerschnitt sie das Gesicht ‑ JA, wirklich, so war das!
Ich schloss die Augen, riss das bestürzte Gesicht mit einem Schwall kalten Wassers
in die Wirklichkeit: was für ein Narr ich bin: Stehe - gesund - vor
dem Spiegel, kann mich, dank gesunder Augen, sehen.
Aber Zweifel blieben die darauf folgende Zeit.
Inzwischen kenn ich diese Falte: Statt zu erschrecken, begrüße ich sie, und
die inzwischen dazugekommenen Kameraden.
Ein Spiegel zeigt uns, wie wir sind – meinen wir, so haben wir es gelernt.
Sie kennen aber bestimmt auch die Wirkung eines Spiegels mit verbogener Oberfläche!
(falls es einen Altar mit Zerrspiegel gibt:) Aber haben sie sich den
... Altar angeschaut?!
Auch Freunde, Menschen unserer Umgebung, halten uns einen Spiegel vor:
· Glaube ich, was dieser Spiegel über mich sagt?
· Wie verbogen ist dieser Spiegel?
Ich habe erfahren, dass der Spiegel, den mir meine Mitmenschen vorhalten, ganz erheblich mein Bild von mir verändert, massiv beeinflusst, was ich von mir fühle. Meine Eltern gaben mir als Kind das Gefühl, dass ich mit mir zufrieden sein könne; ach JA, ich war der süßeste Junge der Welt. Aber, als ich größer wurde, merkte ich, dass das nicht stimmt. Ich habe ich nicht mehr den mich Liebenden geglaubt., hörte im Gegenteil auf die Menschen mit den missfälligen Bemerkungen.
Kennen Sie doch auch: Menschen, die uns lieben, sehen über unsere Mängel hinweg, oder bemerken sie nicht einmal. Aber was nützt uns das, wenn wir uns nicht in uns selber wohl fühlen?
Heute weiß ich, dass ich meine Mängel nicht zu verstecken brauche, ich kann zu ihnen stehen. Und überhaupt, da andere sie doch finden, ist es nur gut, wenn ich sie kenne und mich zu ihnen bekenne. Mich so lieben, wie ich bin. Das kling nicht nur gut. Das gelingt auch nicht immer. Und dann kann es helfen, wenn ich mich erinnere, dass da jemand ist, der ganz viel zu sagen hat. Und DER liebt uns, wie wir sind. IMMER. Denn ER hat uns nach seinem Ebenbild geschaffen.
Udo, das ist eine gute Beschreibung Deines Gefühles für Dich selbst gewesen. Das kann ich gut nachvollziehen.
Wir empfinden Gefühle ja aber auch anderen gegenüber. Wie oft sagen wir uns selbst den Satz:
· “ich habe da so ein Gefühl“ oder
· “mein Gefühl sagt mir“ oder moderner:
· mein Bauch sagt mir“.
Gefühle im Bauch?
Sitzen sie dort?
Und: haben wir nicht verschiedene Gefühle?
Frühlingsgefühle jetzt im März, wo alles grünt und blüht?
Was ist das, was verliebt sein lässt. Sind wir in einer solchen Lebensphase
nicht unendlich beschwingt? Und wie nehmen wir Gefühle überhaupt auf?
Ich denke, dies geschieht auch über unsere Hände, einfach durch anfassen.
Aber auch hier gibt es Varianten:
so ist mir ganz stark immer noch das Bild vor Augen, wie sich die beiden Hände
eines befreundeten Paares während der Trauzeremonie vor dem Altar stehend, fanden:
liebevoll, zögernd, vorsichtig und unendlich zart. Das war für mich noch einmal
eine ganz starke Untermauerung ihres Ja-Wortes.
Für mich ist es ein Phänomen, welche völlig unterschiedlichen Gefühle ich entwickeln kann. Da ist die Bandbreite von ganz glücklich bis hin zur tiefsten Verzweiflung groß.
Wie kommt es, dass ich mich ekele, wenn ich unterwegs ein nicht so sauberes
WC benutze und andererseits mit einer Selbstverständlichkeit einen geliebten
Menschen betreue, der einen künstlichen Ausgang hat. Da zögere ich nicht, finde
alles ganz normal, ja einfach dazugehörig.
Wo ist das Gefühl dafür angesiedelt?
Im Herzen?
Im Kopf?
Oder in den Händen, die diesen Liebesdienst ausüben?
Und: wo ist das Gefühl angesiedelt, das ich den Menschen ganz tief noch immer
liebe, obwohl sein Körper seine frühere Attraktivität fast zur Gänze einbüßte?
Und was gäbe ich nicht alles ab, wenn ich einen geliebten Menschen dadurch retten
könnte, wenn ich an seiner Stelle manches durchleben und durchleiden könnte,
manchen Gang an seiner statt gehen könnte?
Und wie grausam wandelt sich manchmal eine große Liebe in blanken Hass? Dies alles ist tief in uns verankert; geben wir Acht, dass das Gute, Fröhliche meist den Sieg in uns davon trägt.
Wißt Ihr nicht das Euer leib ein Tempel des Hl. Geistes ist“. Ich habe Menschen, die in ihrem Beruf mit dem menschlichen Körper zu tun haben gefragt:“ Wie verstehst Du diesen Satz ? „
Ein Musiker erzählte, wie er über das Erlernen eines Instrumentes seinen Körper zu entdecken begann. Er hatte es bereits zu einer erheblichen Fingerfertigkeit gebracht. Er übte fleissig und doch kam er irgendwann musikalisch nicht weiter. Erst als er begann mit dem ganzen Körper Musik zu machen, ihn nicht als ausführendes Organ des Geistes zu behandeln, bekam seine Musik einen neuen Ausdruck und Tiefe.
Ein Bestatter. Angehörige sagen ihm immer wieder: „ Wir möchten den Verstorbenen so in Erinnerung behalten, wie wir ihn gekannt haben“. Oft will man den Toten nicht mehr sehen. Groß sei die Angst, sich einem Toten zu nähern. Dabei so sagte er ist es so wichtig, vom ganzen Menschen Abschied zu nehmen. Mancher könne seine Angst überwinden , finde den Mut, den Geliebten, der nun tot daliegt, noch einmal zu berühren. Und finde leichter seinen Weg aus der Trauer. Weil er erfährt, wie viel Ruhe ein toter Mensch ausstrahlt.
Ich denke an Thomas, der erst wieder an das Leben glauben konnte, nachdem er dem auferstandenen Jesus begegnet war und die Wunden des Todes berührte.
Eine Masseuse. Zu ihr kommen Menschen, denen an ihrem Körper liegt und, die ihr Äußeres pflegen. Sie liebt ihre Arbeit. Und es macht sie traurig, Menschen zu begegnen, die bei der Sorge um ihren Leib ihr Inneres ich vergessen dabei. So sehr sind sie in ihren Körper verliebt und hängt ihr Selbstbewusstsein vom äußeren Erscheinen ab.
Der Leib ein prächtiger Tempel. Gerne würde der Hl. Geist in ihm wohnen.
Eine Sportlerin, die einmal auf dem olympischen Treppchen stand. Viele Jahre – ihre Jugend – hat sie für den Sport gelebt, manches auch entbehrt. Sie hat die Grenze der eigenen Leistungsfähigkeit überschritten. Glück und Schmerz lagen dabei oft nah beieinander. Die Anstrengung - des Geistes und des Körpers – sind belohnt wurden. Dankbar ist sie für ihre Erfahrungen. Auch dafür bereits als junger Mensch damit fertig werden zu müssen, dass man einen Zenit überschritten hat.
Der Leib – ein Tempel des Heiligen Geistes. Wohnt der Heilige Geist auch in einem etwas zu engen 2 Zimmer Appartment, oder in einem in die Jahre gekommenen Reihenhaus? Manche Risse lassen sich nicht mehr spachteln. Mancher würde wenn es denn ginge umziehen, weil er nicht recht zuhause ist in seinem Körper.
Am eigenen Leib erfahren wir unsere menschliche Begrenztheit. Auch, dass unsere Ansprüche hinter der Wirklichkeit meist zurückbleiben. Den Hl. Geist scheint es – anders als uns - nicht zu kümmern.
Als Christen leben wir von der Vergebung . Ist es dann nicht richtig, wenn wir unserem Körper seine nicht ganz so schönen Stellen vergeben lassen?
Henner F., Gisela W., Udo R.