Text für den Verkündigungsteil der TomasMesse am 29.04.2001

Im St. Petri Dom zu Bremen

‚Gottes Allmacht und Ohnmacht der Liebe’


H1:

»Ich glaube an Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde«

Mit diesen Worten beginnt ein bekanntes Gebet, das sog. »Apostolische Glaubensbekenntnis«.  In der Tat wird ganz zu Anfang der Bibel darüber berichtet, wie die Welt entstanden ist - nämlich, dass Gott Himmel und Erde erschaffen hat.

Davon habe ich schon im Kindergarten gehört,
aber im Physik-Leistungskurs habe ich später gelernt,
dass die Welt durch den sog. Urknall entstanden sein soll.

Als Abiturient hielt ich mich dann für unheimlich klug und aufgeklärt und meinte, dass die Schöpfungsgeschichte in der Bibel eine nette Erzählung für kleine Kinder und alte Omas ist, die mit der Wirklichkeit indes nichts zu tun hat.

Heute dagegen spüre ich, dass die Theorie vom Urknall wohl eine reale Beschreibung naturwissenschaftlicher Vorgänge darstellen mag.  Damit lässt sie aber noch ganz wesentliche Fragen offen; z. B. diese hier:

Was war vor dem Urknall?
Wer hat es zum Urknall kommen lassen?
Wer oder was hat sich unsere Welt eigentlich erdacht und erschaffen?

Da muss doch wohl ein Schöpfer am Werk gewesen sein, und dessen wunderbaren Schöpfungsplan können wir nur ansatzweise verstehen.

Bei jeder neuen Erkenntnis aus der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung tun sich zugleich immer neue Fragen auf.  Dabei merken wir, wie wenig wir von diesem Schöpfungsplan letztlich verstehen können. 

Wenn ich nachts außerhalb des künstlich beleuchteten Bremens bei klarem Himmel die vielen unzähligen Sterne sehe, dann spüre ich die unermessliche Weite des Universums.  Dann fühle ich, wie umfassend das Schöpfungswerk Gottes ist.

Oder jetzt im Frühjahr, wo die Natur wieder grünt und blüht.  Wenn ich sehe, was für eine Lebenskraft die Pflanzen haben, dann muss Gott dahinter stecken, der die ungeheure Vielfalt der Pflanzenwelt weise geordnet hat.

Und überhaupt: Woher kommt eigentlich das Leben von Pflanzen, von Tieren und von uns Menschen auf der Welt?

Die Bibel gibt uns da eine Antwort.  Dort heißt es im Schöpfungs­bericht:

»Da machte Gott der Herr den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.«

So ein Quatsch dachte ich früher: Der Mensch stammt vom Affen ab und ist nicht aus Erde geformt worden.

Nun, es mag ja sein, dass im Laufe der Evolution unsere Vorvorfahren sich aus irgendwelchen Affen entwickelt haben.  Aber auch das  erklärt nicht  die viel elementarere Frage, was  ursprünglich tote Materie eigentlich lebendig macht.

Rein naturwissenschaftlich betrachtet können wir uns schlechthin nicht erklären, wie im stetigen Prozess des Werdens und Wachsens immer wieder neue Lebewesen entstehen.

Weiter hilft mir da dann die Beschreibung von Gott, der uns Menschen und auch den Tieren das Leben eingehaucht hat;  denn dieses Bild macht doch eine ganz existenzielle Erfahrung von uns deutlich - nämlich, dass wir Menschen nicht  aus uns selber heraus Leben schaffen können

Leben schaffen kann nur Gott, und damit ist er doch so etwas wie der allmächtige Schöpfer des Himmels und der Erde sowie von allem, was sich auf der Erde lebt und regt.

H2:  (Fragen an Gott nach der Art seiner Macht)

Ich glaube an Gott den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde...

Gott der Allmächtige? Lange habe ich das Glaubensbekenntnis nur in Teilen mitgesprochen. Später erst habe ich ein eigenes Verständnis von Gottes Almmacht gefunden, das es mir möglich machte, das ganze Bekenntnis zu sprechen.

Und doch immer noch sind Fragen geblieben. Fragen an Gott den Allmächtigen. Und weil es fragen an IHN sind, möchte ich sie auch heute an ihn richten:

„Gott, manchmal wünsche ich mir, ganz kindlich naiv, dass Du einfach dazwischenhaust und Deine Allmacht zeigst.

Wo offenkundig Unrecht geschieht. Wenn ich ohnmächtig sehe, das ein Mensch unmenschlich leiden müssen.

Daß Du dann Deine Stärke zeigst, und tust wozu meine kleine Kraft nicht reicht. Damit jeder sieht, dass Du der HERR bist und alles gut wird.

Und gleichzeitig weiß ich: so bist Du nicht. Deine Macht ist von anderer Art als menschliche Macht. Deine Macht ist nicht allein größer vor allem ist sie anders. Anders als wir es uns wünschen in unseren Allmachts-phantasien: als grenzenlose Macht und unüberwindliche Kraft.

Nein, Du bist nicht der große Marionettenspieler , der alles bewegt, unsichtbar, dem Auge verborgen, doch mit unwiderstehlicher Kraft! Du bist nicht der Übervater, der alles unter Kontrolle hat und die Fäden des Weltgeschehens in den Händen hält. Der mich stolpern lässt, wenn er es will und mich aufhebt, wenn es ihm gefällt - oder mich auch liegen lässt.

Wärst Du in dieser weise allmächtig: ich könnte nicht mehr an Dich glauben. Ich kann nicht an einen Gott glauben, der alles kann aber nichts tut.

Du bist nicht alle Macht dieser Welt.  Aber Du bist all-mächtig.

Keiner ist treu wie Du.

Keiner ist mir nah, wie Du es bist.

Oft verborgen unter Ohnmacht – doch nicht ohne Kraft.

Selber ein Leidtragender, wo Menschen leiden, aber nie am Ende.

Du wohnst im Licht und im Dunklen, Du bist oben und ganz unten, Du bist alles in allem.

Nein, Du bist nicht schwach, nicht lieb und nett, Gott, Du machst es mir nicht immer leicht. Du mutest mir etwas zu. Du bist unbequem. Darum kann ich nicht lassen von Dir, mein allmächtiger Gott und Vater. 

Amen. „

H1:

Gott gab uns Menschen den freien Willen, und diese Freiheit können wir zum Guten und zum Schlechten gebrauchen.

Gott hat uns z. B. die Freiheit gegeben, in Frieden miteinander zu leben oder einander Gewalt anzutun.  Gott hat uns auch die Freiheit gegeben, im Einklang mit seiner wunderbaren Schöpfung zu leben oder aber destruktiv mit Tieren, Pflanzen und der unbelebten Natur umzugehen.

Um nur ein aktuelles Beispiel von vielen zu nennen:

Schon in der Schule lernen wir, dass Kühe Pflanzenfresser sind.  Trotzdem haben Menschen den Kühen Tiermehl zu fressen gegeben.  Dass diese Art der Fütterung nicht der schöpfungsgemäßen Ordnung Gottes entspricht, hätten wir Menschen uns denken können.  Daher dürfen wir uns über BSE und die Folgen ehrlich gesagt nicht wundern.

Warum hat Gott eigentlich uns Menschen geschaffen?

In der Bibel steht eine Geschichte, wie Gott den Himmel, die Erde, die Pflanzen, die Tiere und schließlich die Menschen in sechs Tagen erschaffen hat.  Uns Menschen hat er übrigens erst am Ende des sechsten Schöpfungstages erschaffen.

Dazu möchte ich eine kleine Geschichte erzählen - von Gott und seinen drei Töchtern:

Als Gott der Vater am sechsten Tage seines Schöpfungswerkes noch einmal mit sich zu rate ging, ob er den Menschen schaffen und wie er ihn schaffen sollte, da waren seine drei liebsten Töchter bei ihm: die Weisheit, die Gerechtigkeit und die barmherzige Liebe.

Zuerst trat die Weisheit auf und sagte:

»Vater, schaffe den Menschen nicht.  Er wird deiner Weisheit nicht folgen.

Die Menschen werden sich selbst zum Narren machen.  Dafür ist deine Schöpfung zu gut!  Gib die Schöpfung dem Wahnsinn der Menschen nicht preis!«

Und Gott schwieg.

Da kam die zweite Tochter, die Gerechtigkeit, zu Wort und sagte:

»Vater, schaffe den Menschen nicht.  Denn er wird deine Gerechtigkeit verwerfen.  Es wird eine Schwester die andere verleumden vor dir und den Menschen.  Es wird ein Bruder den anderen hassen, ja sogar töten.  Die Menschen werden sich um Gerechtigkeit nicht scheren.  Sie werden in ihrer Ungerechtigkeit und in Angst die Hölle aus deiner Welt machen.«

Und Gott schwieg.

Da trat die dritte Tochter, die barmherzige Liebe, vor und sagte:

»Vater, was meine beiden Schwestern vorbrachten, trifft zu.  Es wird das eintreten, was sie vorausgesagt haben.  Aber erschaffe den Menschen trotzdem!

Schenke ihm als einziger Kreatur Freiheit und Liebe.  Zwar kann er die Freiheit missbrauchen und die Liebe verletzen.  Aber sie beide machen die Würde des Menschen und deines Schöpfungswerkes aus.  Ich will zu den Menschen herabsteigen und will sie Liebe und Freiheit lehren.  Ich will sie selber so lieben, wie sie sind.  Dann erst  wird deine Schöpfung vollendet sein; denn die Krone deiner ganzen Schöpfung wird die Liebe sein.  Ich gehe zu den Menschen, und wenn es mich das Leben kostet.«

Da nahm Gott, der Vater, diese seine dritte Tochter in die Arme, küsste sie und erschuf danach den Menschen.

H2:  (Zur Ohnmacht der Liebe)

Die Liebe hat Macht. Sie hat Kraft. Sie ist ein starkes Gefühl. Frisch Verliebte sind manchmal wie verrückt.

Groß ist unsere Sehnsucht nach ihr. Und viel sind wir bereit dafür zu tun, um die Liebe zu finden und geliebt zu werden.

Aber trotz allen Bemühens und auch Werbens, obwohl man sich in ein günstiges Licht zu rücken versucht, wo meine Liebe erwidert wird ist sie ein Geschenk Denn letztlich habe ich nichts in der Hand, die den anderen zu irgendetwas zwingen könnte, am wenigsten dazu, die eigene Liebe zu erwidern.

Die Liebe ist ein Kind der Freiheit, sie lässt sich nicht erbetteln und am wenigsten verträgt sie irgend eine Form von Zwang.

Und darum ist die Liebe oft ohnmächtig: je stärker empfunden wird, um so schwächer ist sie.

Es tut weh, wenn Liebe nicht erwidert oder enttäuscht wird. Selten  sind wir verletzlicher. Auch wenn wir es uns später nicht mehr zu zeigen trauen: Liebeskummer tut nicht nur mit 17 weh.

So ist es mit der Liebe unter uns Menschen. So ist es auch mit Gott der Liebe Gottes zu uns Menschen. Gott ist Liebe sagt die Bibel. Und darum beschreibt die Bibel Gott hin und wieder auch als einen Liebhaber, dessen Liebe enttäuscht wird.

Wer je geliebt hat ohne, dass seine Liebe erwidert wurde, wer weiß was unerfüllte Liebe ist: der kann ahnen wie es Gott oft zumute sein muß.

Wer an der Liebe zweifelt, oder von ihr enttäuscht wurde, der schaut Gott ins Herz.

Gott ist Liebe. Eine andere Macht hat er nicht . Selbst Gott kann uns nicht zwingen, seine Liebe zu erwidern. Er möchte nicht Macht über uns haben, sondern sucht unser Herz zu gewinnen.

Er hat allein sich selbst, etwas anderes kann er nicht geben. Darum ist er verletzlich und wehrlos. Aber nie wird er aufhören uns Menschenkinder zu lieben.

Gott und seine drei Töchter

Als Gott der Vater am sechsten Tag seines Schöpfungswerkes noch einmal mit sich zu rate ging, ob er den Menschen schaffen und wie er ihn schaffen sollte, da waren seine drei liebsten Töchter bei ihm: die Weisheit, die Gerechtigkeit und die barmherzige Liebe.

Zuerst trat die Weisheit auf und sagte: Vater, schaffe den Menschen nicht. Er wird deiner Weisheit nicht folgen.

 Die Menschen werden sich selbst zum Narren machen. Dafür ist deine Schöpfung zu gut! Gib die Schöpfung dem Wahnsinn der Menschen nicht preis!

Und Gott schwieg.

Da kam die zweite Tochter, die Gerechtigkeit, zu Wort und sagte: Vater schaffe den Menschen nicht. Denn er wird deine Gerechtigkeit verwerfen. Es wird eine Schwester die andere verleumden vor dir und den Menschen. Es wird ein Bruder den anderen hassen, ja sogar töten. Die Menschen werden sich um Gerechtigkeit nicht scheren. Sie werden in ihrer Ungerechtigkeit und in Angst die Hölle aus deiner Welt machen.

Und Gott schwieg.

Da trat die dritte Tochter, die barmherzige Liebe, vor und sagte: Vater, was meine beiden Schwestern vorbrachten, trifft zu. Es wird das eintreten, was sie vorausgesagt haben – aber erschaffe dem Menschen trotzdem!

Schenke ihm als einziger Kreatur Freiheit und Liebe. Zwar kann die Freiheit missbrauchen und die Liebe verletzen. Aber sie beide machen die Würde des Menschen und deines Schöpfungswerkes aus. Ich will zu den Menschen herabsteigen und will sie Liebe und Freiheit lehren. Ich will sie selber so lieben, wie sie sind. Dan erst wird deine Schöpfung vollendet sein; denn die Krone deiner ganzen Schöpfung wird die Liebe sein. Ich gehe zu den Menschen, und wenn es mich das Leben kostet.

Da nahm Gott der Vater diese seine dritte Tochter in die Arme, küsste sie – und erschuf danach den Menschen.

H1:

Gott hat uns doch oft wissen lassen, was unserem Leben dienlich ist und was es zerstört.

Gott hat uns die Propheten und seinen Sohn Jesus Christus gesandt.  Manchmal auch  spricht Gott direkt zu uns, aber nicht unüberhörbar laut und gewaltig, sondern wie das Säuseln eines feinen Windhauchs.

Und dann gibt es noch den heiligen Geist, durch den Gott in uns wirkt, z. B. wenn wir im Gebet mit ihm sprechen oder uns in seinem Namen versammeln.

Wohin sendet Gott seinen heiligen Geist?  Dort, wo sich Menschen auf Gott einlassen.  Ich will versuchen, das durch ein Beispiel aus eigener Erfahrung zu erläutern.

Ich habe oft das Gefühl, dass Gottes heiliger Geist in einer Gemeinschaft wirkt, wo ich mich in Herzlichkeit angenommen weiß.  Dafür muss ich dort nicht mit einem dicken Auto vorfahren oder angesagte Designer-Klamotten anhaben, um dazu zu gehören.  Ich muss dort auch keine coolen Sprüche klopfen, sondern kann mich so zeigen, wie ich wirklich bin.

Angenommen zu sein heißt für mich auch,
dass ich anderen Menschen nicht gleichgültig bin,
dass sich Menschen nicht von mir abwenden, wenn ich mich aus ihrer Sicht kritikwürdig verhalte,
sondern - dass ich verständnisvolle Anregungen bekomme, die mir helfen, mein Verhalten in bestimmten Situationen zu reflektieren.

So eine Gemeinschaft erlebe ich oft unter Christen, und ich habe das Gefühl, dass Gott zu dem gelingenden Miteinander seinen Teil zu beiträgt.

Insofern wirkt doch Gott in dieser Welt, aber nur dort, wo wir ihm Raum geben.

Gott kann und will uns nicht dazu zwingen, ihm und unseren Mitmenschen in Liebe zu begegnen.

Wo wir Menschen uns aber auf Gott einlassen, können wir erfahren, zu was für einer Gestaltung unseres Lebens er uns einlädt.  Dann beseelt uns Gott mit der Kraft seiner Liebe - dieser unsichtbaren Kraft, die unter uns Menschen so unermesslich viel bewirken kann.

Amen.

Henner F., Henning v. S.