Text für den Verkündigungsteil der ThomasMesse am 25.12.2004

Im St. Petri Dom zu Bremen

'Am Anfang der Stall ...'

Lesung (Mt. 1, 18-25, aus der Lutherbibel v. 1984):

18Jesu Geburt
Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe er sie heimholte, dass sie schwanger war von dem heiligen Geist.
19Josef aber, ihr Mann, war fromm und wollte sie nicht in Schande bringen, gedachte aber, sie heimlich zu verlassen. 20Als er das noch bedachte, siehe, da erschien ihm der Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem heiligen Geist. 21Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden.
22Das ist aber alles geschehen, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht:
23"Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben", das heißt übersetzt: Gott mit uns.
24Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. 25Und er berührte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.

S:

(Lk 2)Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzet würde. Da machten sich auf auch Josef aus Nazareth...

D:

Halt! Doch nicht schon wieder diese Geschichte! Die habe ich doch erst gestern Abend in der Christmette gehört. Gibt es nicht auch noch eine andere Weihnachtsgeschichte in der Bibel?

H:

Na gut, dann erzählen wir eben die Weihnachtsgeschichte, die bei Matthäus steht. Aber Vorsicht, da gibt es keinen Stall mit Futterkrippe, keine Hirten auf dem Feld, keine himmlische Engelschar. Von dieser ganzen Idylle hat Matthäus wohl nichts mitbekommen. Stattdessen erzählt er uns eine eher befremdliche Geschichte, in der es recht alltäglich zugeht, jedenfalls am Anfang:

(Mt 1, 18)Dies ist die Geschichte der Geburt Jesu Christi: Maria, seine Mutter war mit Josef verlobt. Aber noch bevor die beiden geheiratet und Verkehr miteinander hatten, erwartete Maria ein Kind.

Na, das ist ja eine schöne Bescherung. Was soll denn nun daraus werden? Ein Seitensprung, peinlich! Und der Verlobte — der lässt sich das doch bestimmt nicht gefallen.

(Mt 1, 19)Josef wollte sich die Entscheidung nicht leicht machen. Er dachte daran, die Verlobung aufzulösen. Er wollte das aber lieber heimlich tun, um Maria nicht bloßzustellen.

Edel, edel — das ist ein Gentleman, dieser Josef. Andererseits — so kann er sich auch fein aus dem Staube machen. Was geht ihn die ganze Sache überhaupt noch an?

Na ja, da magst du Recht haben. Dass Maria sich mit einem anderen Mann eingelassen hat, dafür kann man Josef nicht verantwortlich machen. Aber bleibt Maria nicht trotzdem seine Verlobte, bedeutet ihm diese Beziehung denn gar nichts?

(Mt 1, 20)Diese Gedanken verfolgten Josef bis in den Schlaf. Er hatte einen Traum. Ein Engel sprach zu ihm: Josef, erinnere dich, du stammst vom König David ab. Mach dir dein Herz nicht so schwer. Nimm Maria als deine Frau zu dir. Das Kind, das sie erwartet, steht mit dem Heiligen Geist in Verbindung.

Was heißt denn das? Ob Josef das verstanden hat? Gibt es überhaupt jemanden, der eine solche Geschichte versteht? Menschen wie ich, die sich eher von Realitäten leiten lassen, können diese Geschichte nur mit äußerster Skepsis betrachten. Ich dachte, dass mir dieser Jesus schon was zu sagen hat, aber muss ich dann an so etwas glauben, wie diese seltsame Geburtsgeschichte?

Nein, davon hängt der Glaube nicht ab. Was der Verfasser Matthäus beabsichtigt, ist etwas anderes.

Er will deutlich machen, dass die Geschichte mit Gott und den Menschen noch einmal neu angefangen hat. Da kam ihm diese Erzählung aus dem Altertum gerade recht: Dass Gotteskinder durch den Kontakt zwischen einem himmlischen Wesen und einer menschlichen Mutter gezeugt werden, war damals eine bekannte Geschichte.

Matthäus will betonen: Es ist eben nicht irgendein Menschenkind zur Welt gekommen, sondern dieser Jesus, mit dem Gott etwas Besonderes vorhat. Lukas sagt von ihm: Euch ist heute der Heiland geboren.

Und das reichte den Menschen damals, um sich für diesen Jesus zu interessieren? Mussten da nicht einige ihre Prinzipien über den Haufen werfen?

Ja, möglicherweise war das für den ein oder anderen so. Sie fingen an, Fragen zu stellen – und auch das zu hinterfragen, wovon sie bisher überzeugt waren.

Matthäus hatte unter seinen Zuhörern ja auch manch eingefleischten Juden. Er wusste: die lassen nichts auf die Schriften aus dem Alten Testament kommen. Und um auch diese Zuhörer zu überzeugen, verweist er noch ausdrücklich auf eine besondere Stelle beim Propheten Jesaja.

(Mt 1, 22)Das alles ist geschehen, weil sich erfüllen soll, was Gott durch den Propheten vorausgesagt hat: „Seht, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen, und man wird ihm den Namen Immanuel geben.“ Immanuel bedeutet, Gott ist mit uns.

Na schön, er hat sich jedenfalls was dabei gedacht, bei dieser wundersamen Geschichte. — Und wie geht das mit Josef weiter? Will er nun den Vater spielen oder nicht? Ich bin gespannt darauf, wie Matthäus diese Geschichte zu Ende bringt.

(Mt 1, 24)Als Josef aufwachte, machte er es so, wie der Engel es gesagt hatte. Er nahm Maria, seine Frau, zu sich.

Und damit nun wirklich niemand mehr an dieser besonderen Jungfrauengeburt zweifelt, fügt er noch hinzu:

(Mt 1, 25)Sie schliefen nicht miteinander, solange, bis sie einen Sohn geboren hatte. Und Josef gab ihm den Namen Jesus.

H:

Zugegeben, die Weihnachtsgeschichte von Lukas klingt etwas harmonischer. Jedenfalls scheinen am Ende alle glücklich zu sein mit diesem Kind in der Krippe. Und darin sind sich die biblischen Berichte zur Geburt des Kindes Jesus einig:

Gott muss schon etwas ganz Besonderes mit den Menschen vorhaben, das allein ist der Sinn dieser provokanten Geburtsgeschichte

Aber nicht nur in der Bibel stehen Weihnachtsgeschichten, auch das Leben schreibt sie. Wir alle haben Weihnachtsgeschichten erlebt, an die wir uns erinnern, auch daran, wie das in unserer Kindheit war mit Weihnachten. Da gibt es Erinnerungen an glückliche Stunden, aber auch Erinnerungen, die uns das Herz schwer machen.

D:

An Weihnachten erinnere ich mich oft an den 24.12. 1985 .
Ich war neu nach Bremen gezogen und wohnte in einer Hausgemeinschaft.
Am Heiligabend blieben 3 Mitbewohner und ich zuhause.
Wir wollten zusammen essen und um 23.00Uhr in den Gottesdienst gehen.
Unser Vorhaben teilten wir Freunden und Bekannten mit. Falls sie alleine sein würden, könnten sie gerne am Abend zu uns kommen
(etwas zu essen sollten sie dann mitbringen).
Unser Telefon stand in den Tagen vor Weihnachten nicht still.
Am Heiligabend hatten sich 18 Personen an unserem Tisch versammelt.
Nach dem Essen mussten sie alle mit uns zum Gottesdienst in den Dom.
Selbst die Freunde, die vorher lästerten — Mensch ihr wollt in die Kirche, wie spießig — kamen mit.
Es war für uns alle ein ganz besonderer Heiligabend geworden.

S:

Vor fast 60 Jahren, zu Weihnachten 1946, bekam ich diesen Ball geschenkt ...
(hält einen kleinen, bunten Sofball, ca. 5cm im Durchmesser in die Höhe)

Wir lebten damals als Flüchtlingsfamilie in der Lüneburger Heide –
Gerade hatten wir uns wieder zusammengefunden: Vater, Mutter und vier kleine Mädchen zwischen vier und zehn Jahren.
Wir hatten nichts.

Aber meine Mutter wollte mir etwas zu Weihnachten schenken. Und so ist sie im Dorf von Tür zu Tür gegangen und hat sich von den oft ablehnenden Bauersfrauen Stoffreste und Garn zusammen gebettelt. Und dann hat sie sich Abends hingesetzt – bei einer Petroleumlampe, denn wir hatten kein elektrisches Licht – und hat diesen Ball für mich genäht: krumm und schief und trotzdem eines meiner kostbarsten Weihnachtsgeschenke, das bis heute bei mir ist, denn es erzählt mir von der Liebe meiner Mutter zu ihrem kleinen Mädchen.

H:

Wir möchten ihnen jetzt etwas schenken. Ein ganz kleines Geschenk, eine bunte Glaskugel. Wenn sie die Murmel in die Hand nehmen und anschauen, dann wird sie ihnen vielleicht dabei helfen, dass sie sich erinnern an ihre eigenen Weihnachtsgeschichten. Vielleicht von ganz früher, vielleicht auch aus den letzten Jahren, vielleicht auch eine Erinnerung an gestern, an Heilig Abend. Wenn wir sie verteilt haben, nehmen wir uns 3 Minuten Zeit für unsere eigenen Geschichten. Währenddessen spielt uns Uwe eine alte Weihnachtsweise.

B:

Ein Kind wird Euch geboren — ein Geschenk Gottes.
Aber halt: bloß nicht an Weihnachten.... und schon gar nicht am Heiligen Abend!
Alle Jahre wieder erleben wir als Geburtshelfer die mal zaghaft vorgetragenen Bitten oder die heftigen Forderungen: "Können Sie denn nichts tun, damit das Kind nicht an Weihnachten geboren wird?".

Schauen wir noch mal auf die Weihnachtsgeschichte. Egal ob wir das Evangelium von Lukas oder Matthäus nehmen: ich kann mir nicht vorstellen, dass es Maria und Josef so in ihre Lebensplanung gepasst hat. Aber sie haben dieses Kind so angenommen und mit Gottes Hilfe zu dem Menschen erzogen, der die Welt bis heute verändert hat.

Heiner C., Dorit S., Sabine S., Barbara B.